Mit Pflanzengentechnik gegen den versteckten Hunger

Mehr als 2 Milliarden Menschen weltweit leiden an Mikronährstoffunterernährung aufgrund von Mineralien- und Vitaminmangel. Arme Menschen in Entwicklungsländern sind am stärksten betroffen, da ihre Nahrung nur geringe Mengen an Mikronährstoffen enthält. In einem vor kurzem in Nature Communications veröffentlichten Artikel erklärt ein internationales Team von Wissenschaftlern, wie die Pflanzengentechnik dazu beitragen kann, die Mikronährstoffunterernährung nachhaltig zu bekämpfen.

von Dominic Dähler
Reislinien Gruissem
Neue Reissorten, mit wichtigen Mikronährstoffen biofortifiziert. Eisen, Zink und beta-Carotin (Provitamin A) sind im Korn auf ernährungsphysiologisch relevante Werte erhöht. Die gelbe Farbe resultiert aus dem b-Carotin.

Mikronährstoffunterernährung verursacht schwere Gesundheitsprobleme. Die meisten von Mineralstoff- und Vitaminmangel betroffenen Menschen leben in Afrika und Asien. So sind beispielsweise Vitamin A- und Zinkmangel führende Risikofaktoren für die Kindersterblichkeit. Eisen- und Folatmangel tragen zu Anämie sowie zu körperlichen und kognitiven Entwicklungsproblemen bei. Häufig sind sich die Betroffenen ihrer Ernährungsmängel nicht bewusst, weshalb auch der Begriff "versteckter Hunger" verwendet wird. Die langfristigen Lösungen bestehen darin, dass alle Menschen durch Bildung und Einkommenserhöhung für eine gesunde Ernährung sensibilisiert werden, so dass sich alle das ganze Jahr über eine ausgewogene Ernährung leisten können. Kurz- und mittelfristig sind jedoch gezieltere Interventionen erforderlich.

Eine Intervention ist die Züchtung von Grundnahrungsmittelpflanzen für einen höheren Gehalt an Mikronährstoffen, auch als "Biofortifikation" bekannt. In den letzten 20 Jahren haben internationale Agrarforschungszentren biofortifizierte Nutzpflanzen mit konventionellen Züchtungsmethoden entwickelt, darunter Süßkartoffeln und Mais mit Vitamin A sowie Weizen und Reis mit höherem Zinkgehalt. Diese Nutzpflanzen wurden in mehreren Entwicklungsländern mit nachgewiesenem Nutzen für Ernährung und Gesundheit erfolgreich eingeführt. Konventionelle Zuchtmethoden für die Biofortifizierung haben jedoch Grenzen oder sind bei einigen anderen Nutzpflanzen nicht möglich.

In der Nature Communications-Perspektive berichten die Wissenschaftler, wie die Gentechnik dazu beitragen kann, die Vorteile von biofortifizierten Nutzpflanzen weiter zu verbessern. "Mit transgenen Ansätzen können wir viel höhere Mikronährstoffgehalte in Nutzpflanzen erreichen als mit konventionellen Methoden allein, wodurch die ernährungsphysiologische Wirksamkeit erhöht wird. Wir haben dies für Folate in Reis und Kartoffeln nachgewiesen", sagt Dominique Van Der Straeten von der Universität Gent in Belgien, der Hauptautor des Papiers. "Es ist uns auch gelungen, die Vitaminverluste nach der Ernte deutlich zu reduzieren", fügt sie hinzu.

Ein weiterer Vorteil der Gentechnik besteht darin, dass hohe Mengen mehrerer Mikronährstoffe in derselben Kultur kombiniert werden können. "Dies ist sehr wichtig, da arme Menschen oft unter einem Mangel an mehreren Mikronährstoffen leiden", sagt Howarth Bouis vom International Food Policy Research Institute und Welternährungspreisträger 2016. So erhöhte das Team der ETH Zürich beispielsweise gleichzeitig Eisen, Zink und Beta-Carotin (auch bekannt als Provitamin A) im Reis.

Die Gentechnik kann auch dazu beitragen, Mikronährstoffeigenschaften mit produktivitätssteigernden agronomischen Merkmalen wie Dürretoleranz und Schädlingsresistenz zu kombinieren, die mit dem Klimawandel immer relevanter werden. "Landwirte sollten keine schwierige Wahl zwischen Pflanzen treffen müssen, die entweder die Ernährung verbessern oder produktive und stabile Ernten ermöglichen. Sie brauchen beide Aspekte kombiniert, was auch eine breite Akzeptanz unterstützen wird", sagen Navreet Bhullar und Wilhelm Gruissem von der ETH Zürich, Koautoren der Nature Communications-Perspektive.

Die Autoren räumen ein, dass die Gentechnik von vielen skeptisch gesehen wird, auch wenn die Forschung zeigt, dass die daraus resultierenden Nutzpflanzen für den menschlichen Verzehr und die Umwelt sicher sind. Einer der Gründe für die öffentlichen Vorbehalte ist auch, dass die Gentechnik oft mit grossen multinationalen Unternehmen in Verbindung gebracht wird. "Biofortifizierte Nutzpflanzen könnten möglicherweise einige der Bedenken verringern, da diese Pflanzen für humanitäre Zwecke entwickelt werden. Öffentliche Finanzierung ist der Schlüssel zu einer breiteren Akzeptanz."

Link zum Paper in externe SeiteNature Communications
 

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